Sieht gut aus, fühlt sich gut an, also ist es gut..?!

Übersetzung: Daniel Rohde-Kage (d.rohde-kage@gmx.de)

Sie haben gerade ein neues Produkt gestaltet oder ein neues Projekt fertig gestellt. Der Kunde ist froh, alles sieht prima und neu aus und Sie fühlen sich richtig angetan von sich selbst. Nach all der Arbeit: Warum auch nicht? Tolle neue Sachen sind Ihr Anliegen, Dinge, die bestens funktionieren und gut aussehen.

Aber halt: Überlegen Sie einen Augenblick! Gibt es noch etwas unter dieser Oberfläche? Kürzlich arbeitete ich an einem Projekt, bei dem wir die Herkunft des Holzes nachvollziehen wollten. Es stellte sich heraus, dass es in Kambodscha illegal geschlagen wurde. Eine verbrecherische Miliz trieb ein Dorf zusammen und zwang die Bewohner zum Fällen und Einsägen der Bäume zu Bohlen. Das Holz wurde dann in einem undurchsichtigen Geschäft nach Vietnam verfrachtet, wo Kinder zum Herstellen der Endprodukte missbraucht wurden. Diese landeten schließlich zu einem stattlichen Preis bei einem bekannten Einzelhändler.

Das gleiche gilt für die Planung des Lebensendes des Produkts. Alle guten Dinge haben ein Ende - sogar Ihr Produkt. Alles ist dazu bestimmt, abzunutzen, kaputt zu gehen oder einfach unmodern zu werden. Was passiert dann? Haben Sie Ihr Produkt entworfen, dass es repariert oder zerlegt werden kann, und dabei alle Kunststoffteile vollständig für das Recycling gekennzeichnet?

Jedes Material und Bauteil, von Holz und Stahl über Aluminium und Karbonfaser, hat eine umweltrelevante Geschichte. Gewöhnlich eine, die von Umweltverschmutzung und zerstörten Landschaften, von vergiftetem Wasser und schweren Gesundheitsschäden bei ArbeiterInnen erzählt. Ich nenne dies die ‚Verborgene Hässlichkeit' eines sonst schönen Produkts. Noch wird dieser Seite keine Aufmerksamkeit geschenkt, und bei alldem: Wer würde dort hinschauen? Die Werkstoff-Zulieferer? Doch nicht etwa die Regierung? Die kümmert sich gewöhnlich nur um die Einnahmen aus den Geschäften.

Es liegt einzig an den Produkt-Designern, einen Wandel herbei zu führen. Ihre Kunden erwarten, dass Sie für sie die besten Ergebnisse in Fragen der Sicherheit, Ergonomie und Qualität erzielen, und Sie sollten dafür sorgen, dass sie auch in Aspekten des Umweltschutzes bedient werden.

Hat Ihre Arbeit Anteil an der Zerstörung gewachsener Landschaften oder finanzieren Sie so die Edel-Karosse irgendeines korrupten Militärs? Oder ist Ihre Arbeit im Gegenteil dadurch charakterisiert, dass das Holz aus naturnahen, artenreichen Wäldern stammt, von finnischen Mönchen handgeschnitzt und dann noch mit Leinöl aus biologischem Anbau beschichtet ist? Könnten Sie denn überhaupt einen Unterschied feststellen bei einem Werkstück aus diesem oder jenem Holz? Wahrscheinlich nicht. Da braucht es schon ein bisschen Nachdenken und Forschen: Es verlangt von Ihnen, dass Sie sich um die Herkunft des verwendeten Materials und der Bauteile kümmern.

Sowohl Designer und Verbraucher fangen an, sich neben dem Aussehen und der Brauchbarkeit für die Hintergründe zu interessieren, um sich klar zu machen, was mit den Produkten bei der Herstellung und der Entsorgung passiert. Sie erkennen zum Beispiel, dass ein gutaussehender, preisgekrönter Stuhl nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein kann, wenn seine Herstellung umweltschädlich oder ausbeuterisch betrieben wird.

Sogar die skandinavische, minimalistische Einrichtung, die so rein und sauber scheint, besitzt diese ‚Verborgene Hässlichkeit': Formaldehyd im Sperrholz und dem MDF, Chrom-Verseuchung durch das Gerben von Leder, und Schäden für den Firmenstandort und die Landschaft durch den Abbau von Pigmenten für die weiße Farbe.

Es gibt einen dringenden Bedarf an Nachhaltigkeit für alle Produkte und Verfahren - gut für die Menschen, den Umsatz und die Erde. Die gute Nachricht ist, dass es eine gewaltige Anzahl von interessanten und innovativen Aktivitäten gibt, von denen ich einige in meinem neuen Hochglanz-Buch ‚The Total Beauty of Sustainable Products' (‚Die vollkommene Schönheit nachhaltiger Produkte') festgehalten habe. Dinge wie Kunststoffe aus Getreidestärke, völlig ungiftiger Polsterstoff, extrem energiesparende Lampen, recycelte Computer und Fassadenverkleidungen aus Solarzellen. Designern werden damit Informationen über nachhaltige Lösungen zugänglich.

Die Gesetze der Natur

Das Leben auf der Erde gibt es seit Milliarden von Jahren (3,85 Milliarden, um genau zu sein) und es hat einige Tricks auf Lager: Wenn wir von der Natur lernen und dahingehend die Qualität der von uns benutzten Energien und Materialien ändern, können wir uns einer vollständigen Nachhaltigkeit nähern. Bei der Nutzung von Sonnenenergie kann es zum Beispiel überhaupt keine Umwelt-Beeinträchtigung geben: Wir können diese Energie unbegrenzt nach Belieben nutzen. Ein weiterer wichtiger Gedanke ist der vom Kreislaufprinzip der natürlichen Stoffflüsse, durch das es niemals einen Rohstoffmangel geben kann: Mit einem verstärkten Recycling von Materialien, die aus Bodenschätzen stammen (wie Glas, Aluminium oder Kunststoffen), gelingt uns die Nachahmung der Natur. Gewachsene Materialien zu verwenden ist unbestreitbar eine gute Sache, und inzwischen kann man aus einer Reihe von hochentwickelten und leistungsstarken Kunststoffen auf Getreide-, Holz- und Sojabasis als Bioverbundwerkstoffe wählen.

Ein Industriedesign, dass die Grundregeln von natürlichen Systemen zum Vorbild hat, ist erstrebenswert. Für nachhaltige Produkte gibt es fünf Anforderungen: Kreislaufprinzip, Solarprinzip, Sicherheit, Materialoptimierung und Soziale Gerechtigkeit.

Die ersten drei Begriffe stehen für Nachahmung der Regeln in pflanzlichen und tierischen Ökosystemen:

Das Kreislaufprinzip

Das Produkt wird aus kompostierbarem, organischen Material oder Mineralien hergestellt, die in einem geschlossenen Kreislauf recycelt werden. Dazu wird recyceltes Metall, Glas oder Kunststoff verwendet und/oder das Produkt selber wieder recycelbar gefertigt. So nimmt zum Beispiel die Firma MILLIKEN CARPETS Teppichfliesen zurück, die gereinigt und aufgearbeitet einen neuen Lebenslauf beginnen. EMECO stellt unglaublich beständige Stühle aus Aluminium her, das zu 85% aus der Wiederverwertung stammt. Die Stühle selber sind schlicht matt oder poliert und so ebenfalls vollständig recycelbar.

Der Bürosessel PICTO der Firma WILKHAN kann repariert, demontiert und am Ende seines Lebens recycelt werden.

Der Stuhl der Firma EMECO HUDSON, gestaltet von Philippe Starck, ist sowohl recycelt als auch recyclebar.

Produkte, die dem Kreislaufprinzip entsprechen, können auch aus gewachsenen Materialien wie Holz, Leder, Wolle oder einer der neuen Kunststoff-Arten auf Getreide- oder Kartoffelstärke-Basis hergestellt werden.

Das Solarprinzip

Das Produkt benötigt zur Herstellung und im Gebrauch nur erneuerbare Energie, die umweltfreundlich ist und dem Kreislaufprinzip entspricht. Das bedeutet Wind- und Wasserkraft genauso wie Solar-Energie. Die Produktion von Solar-Paneelen hat Hochkonjunktur und sogar Fabriken versorgen sich auf diese Weise mit erneuerbarer Energie. Vergleichen mit der Gesamtenergiebilanz eines Produkts wird in vielen Fällen in der Herstellungsphase am meisten Energie verbraucht.

Halbtransparente Solarzellen.

Sicherheit

Alle Einträge in die Luft, Wasser oder den Boden haben Auswirkungen auf andere Systeme. Jeder Fertigungsprozess muss überprüft und seine Schadstofffreisetzung reduziert oder von vorneherein vermieden werden. FOXFIBRE ist zum Beispiel eine natürlich gefärbte Wolle, die in (rost-)roten und grünen Farben wächst und daher nicht gefärbt werden braucht.

Das elektrische THINK!-Auto aus Norwegen verursacht beim Betrieb keine Emissionen, wird es mit Solar-Strom aufgeladen, hat es überhaupt keine.

Materialoptimierung

Die vierte Anforderung basiert auf der Notwendigkeit, die Gebrauchsfähigkeit von Rohstoffen einer endlichen Welt zu maximieren.

Für die Herstellung und den Gebrauch eines Produkts wird heute im Vergleich zu 1990 90% weniger Material, Energie und Wasser verbraucht. Die Idee, durch haltbarere und leichtere Produkte weniger Rohstoffe zu verbrauchen ist immer gut. Ein kluges Beispiel ist der aufblasbare SOFTAIR-Stuhl, der 85% weniger Materialeinsatz als ein herkömmlicher Stuhl benötigt.

Das ELIGHT verbraucht nur 3 Watt und spart somit 90 % Energie einer herkömmlichen Glühbirne.

Und die fünfte Forderung bezieht sich darauf, dass alle Firmen in enger Beziehung zu ihren Arbeitern und den Kommunen stehen und einen starken Einfluss auf diese haben:

Soziale Gerechtigkeit

Die Herstellung und der Gebrauch eines Produkts muss den Menschenrechten und der allgemeinen Gerechtigkeit entsprechen. Es geht um im wesentlichen um die Sicherung von angemessenen Arbeitsbedingungen und einer ausreichenden Entlohnung, idealerweise ergänzt um einen Aufschlag, der für Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen genutzt wird.Ohne strenge Überwachung werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass Ihr Produkt, Teile davon oder Werkstoffe in Kinder- oder sogar Zwangsarbeit hergestellt werden oder dass Arbeitern die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft verboten ist. Aus dem Non-Food-Bereich ist der Schuhhersteller DEEP-ECO ein positives Beispiel für die Berücksichtigung des Sozialen: Die Firma ist eine direkte Partnerschaft mit den Naturgummi-Bauern in Brasilien eingegangen.

Tee-Ernte in Tansania nach den Regeln der englischen Fair Trade Foundation (Stiftung Fairer Handel) .

Was kommt als nächstes?

Das Ziel Nachhaltigen Designs ist es, alle Produkte vollständig nach dem Kreislaufprinzip, dem Solarprinzip und Sicherheits-Aspekten zu gestalten. Designer müssen in die Zukunft blicken, in der alles vollständig an die Natur angepasst ist. Die Frage muss immer sein: "Führt uns dieses Design in die richtige Richtung ?"


Edwin Datschefski hilft Leuten herauszufinden, wie sie ihre Produkte unter Aspekten der Nachhaltigkeit gestalten können, gut für die Menschen, den Umsatz und die Erde. Er entwickelte zudem eine Reihe von kostenlosen und web-basierten Schulungskursen, die Menschen in 36 Ländern nutzen, um über Nachhaltiges Design zu lernen. Besuchen Sie diese unter: www.biothinking.com



Übersetzt von: Daniel Rohde-Kage engagierter Schreiner, Lehrer für die Waldorfschule, Lehramts-Studium der Biologie und Technik mit den Schwerpunkten Ökologie und Stoff- und Energieumsatz, Examensarbeit über Material- und Energieoptimierung im Möbelbau.